Einsatz des IPK+-Verfahren in der Regenerationsphase

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Leistungssportler benötigen aufgrund eines erhöhten Risikos, Verletzungen oder sogar einen Sportausfall zu erleiden, ein Programm in der Regenerationsphase nach Wettkampf und Training. Unter Experten besteht diesbezüglich kein Zweifel, daher sollte dauerhaft eine praktikable Strategie für die Regenerationsphase bestehen. Von Seiten der Wissenschaft gibt es bisher keine fundierten Anleitungen bzw. Antworten auf die Frage nach dem optimalen Verfahren. Vieles, was in allerlei Kombinationen angewendet wird, erscheint eher aus guter Erfahrung heraus zur Anwendung zu kommen. Einen hohen Stellenwert nimmt dabei das inzwischen als etabliert angesehene apparative Verfahren der intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie (IPK) ein. Andrew Lichtenthal, leitender Arzt des Deutschen Leichtathletikverbandes, berichtet ausführlich in "IPK - Ein Leitfaden für Klinik und Praxis" exemplarisch über gute Erfahrungen mit diesem Verfahren in der Leichtathletik. Seit Jahren wird hier IPK direkt nach Belastungen und einem Auslaufen in bewusst ruhiger und entspannter Atmosphäre eingesetzt. Erst danach erfolgen normale Körperhygiene und Erholung mit Flüssigkeitsausgleich und Nahrungsaufnahme mit einem ausreichenden Abstand zum Schlaf. Zusätzliche physiotherapeutische Maßnahmen werden darüber hinaus gar nicht oder nur noch in gekürzter Form angeboten, so der Experte. Sehr interessant ist seine Feststellung, dass er in IPK eine Form der physikalischen Lymphtherapie sieht. Nachdem in vorangegangenen Kapiteln die erweiterte Form der IPK, das IPK-Plus-Verfahren, bereits mit allen Vorteilen ausführlich vorgestellt wurde, geht es im Kontext dieser Abhandlung darum, welche Vorzüge die IPK+ Methode gegenüber IPK in der Regeneration erbringen kann. Da zu der bereits vorhandenen IPK-Technik lediglich Polsterungen und eine mit wenig Aufwand durchzuführende Schulung erforderlich sind, kann eine solche Erweiterung in der Praxis schnell und leicht bewerkstelligt werden.

IPK-Plus im Praxistest

IPK-Plus-Behandlungen wurden mit einer Sportlerin (Leichtathletin), ebenfalls professionell arbeitenden Tänzerinnen und Spielern einer Rugbymannschaft durchgeführt, die bereits über reichlich Anwendungserfahrung mit IPK in der Regenerationsphase verfügten. Diese unterzogen sich nun regelmäßig über zwei Monate IPK-Plus-Behandlungen nach Training, Auftritten bzw. nach Wettkämpfen und schätzten diese als eine wirkungsvolle Maßnahme gegen einen sogenannten Muskelkater ein. Darüber hinaus bestand in dem Kollektiv ein klarer Konsens darüber, dass man unter der Therapie gut entspannen kann, nicht selten verfielen die Probandinnen und Probanden in einen schlafenden Zustand. Warum entstauende Maßnahmen, die gleichzeitig auch noch entspannend wirken, in einer solchen Situation sehr gut helfen können, erschließt sich durch das Verständnis der krankheitsbedingten Ursachen und der näheren Beschäftigung mit der Rolle des in der medizinischen Grundausbildung leider meist vernachlässigten Lymphgefäßsystems.

Mikroläsionen in der Muskulatur

Kommt es infolge starker Beanspruchung zu einem „Muskelkater“, beruht dieser auf unzähligen Mikroläsionen (Mikrorissen) in der Muskulatur, die mit entzündlichen und daher eiweißreichen Ödemen einhergehen. In diesen entzündlichen Schwellungen finden sich zudem auch Entzündungsvermittlerstoffe mit einer direkt schmerzverursachenden Wirkung. Wiederum schmerzverstärkend ist eine gesteigerte Aktivität des Nervus Sympathikus. Zusammen mit dem in Ruhephasen dominierenden Antagonisten Parasympathikus („Ruhenerv“) bilden diese beiden Anteile das vegetative Nervensystem. Betroffene klagen nach Überbelastung über Muskelschmerzen, „schwere Beine“ und Leistungsschwäche. Nicht selten kommt es zu passageren sicht- und tastbaren Ödemen als Folge eines vorübergehend nicht ausreichend arbeitenden Lymphgefäßsystems (LGS). Die Hauptaufgabe des LGS besteht grundsätzlich darin, Makromoleküle wie Eiweiße in Verbindung mit Wasser aus den Geweben zu eliminieren. Allein nur über das LGS kann dies effektiv bewerkstelligt werden. Auch die nachteilig wirkenden Entzündungsmediatoren können gut über Lymphgefäße abtransportiert werden. Allerdings verhält es sich in dieser Situation so, dass die Drainage über Ketten aneinandergereihter, aktiv pulsierender Lymphgefäßabschnitte funktioniert. Klappen zwischen diesen kontraktilen Lymphangionen wirken wie Ventile, so dass eine zielgerichtete Drainage zu einer regionären Lymphknotengruppe (Leisten-, Axilla- und Halsregion) hin erfolgt. Diese Pumpfunktion ist aber unter einem Schmerzgeschehen mit erhöhter Sympathikusaktivität deutlich gehemmt. Das bedeutet, dass die Lymphgefäße mechanisch zwar unbeeinträchtigt sind, aber funktionell gestört nicht so arbeiten, wie das eigentlich von ihnen erwartet wird. Ein vorübergehendes Problem, das sehr gut über eine physikalische Lymphtherapie behandelt werden kann.

Therapie mittels dem IPK+-Verfahren

Legt man die krankheitsbedingten Abläufe zugrunde, macht es Sinn, unter Zuhilfenahme rasch abschwellender Maßnahmen Ödeme inklusive der schmerzverursachenden Entzündungsmediatoren zu verdrängen und dafür zu sorgen, dass Lymphgefäße unter dem Einfluss milder Scherkräfte stimuliert werden. Pulsieren Lymphangione geschieht dies durch einen über Innendruck ausgelösten Reiz in hohem Füllgrad, aber auch über Scherkräfte, die von außen auf diese wirken. Daher könnten Reize der massenhaften Schaumstoffwürfelchen, die unter IPK+ auf die Haut und damit auch auf die sehr dicht darunter verlaufenden Lymphgefäße treffen, durchaus in der Lage sein, lymphgefäßstimulierend zu wirken. Nachweislich gelingt dies aber nicht unter traditionell angewendetem IPK, da nur eine glatte, im gefüllten Zustand feste Fläche auf den Hautmantel wirkt. Aber neben einer Ödemreduktion über Stimulation des LGS entfalten sowohl IPK als auch IPK+ eine entstauende Wirkung, indem die Ödemflüssigkeit unter Druck durch sehr enge Gewebespalten verschoben wird. Daten einer Studie aus der Universitätsmedizin Greifswald zeigen jedoch eine signifikant stärkere Wirkung unter IPK+ als durch IPK. Die Autoren sehen zudem in der unterpolsterten IPK-Variante einen leicht nachvollziehbaren Weg, um eine verbesserte Wirkung in der Knie- und Leistenregion zu erreichen. Dabei beziehen sie sich auf eine längst bekannt gewordene Schwachstelle der IPK in diesen Körperabschnitten. Entsprechende Daten dieser Studie wurden bereits 2015 veröffentlicht. Nach Erörterung der lymphologischen Aspekte betrachten wir abschließend noch die Bedeutung der entspannenden und häufig einschläfernden Wirkung der IPK, unter der auch Schmerz und die damit verbundenen funktionellen Beeinträchtigungen des Lymphgefäßsystems gemindert werden, indem sich das vegetative Nervensystem in Richtung eines Gleichgewichtszustandes bewegt bzw. die Aktivität des Sympathikus gedämpft wird.

Die Anwendungen wurden bei unserem oben bereits vorgestellten Kollektiv mittels einer Hosenmanschette durchgeführt, sodass die Unterpolsterung auch über den vielen Lymphknoten über der Leistenregion wirken konnte. Da zu diesen inguinalen Lymphknoten alle Lymphgefäße hin verlaufen, die sich zwischen dem unteren Rippenbogen und den Fußspitzen befinden, und somit die gesamte untere Körperhälfte drainieren, ist es anzunehmen, dass die bei der IPK-Plus verwendeten Schaumstoffkörper die lymphgefäßreichen Zonen zwischen den Lymphknoten erreichen und bei den dort befindlichen zu- und ableitenden Lymphgefäßen eine Steigerung der Pulsation der Lymphgefäße bewirken könnten. Übereinstimmend äußerten sich alle Probanden, dass sie eine Anwendung von IPK-Plus als wirkungsvoller und angenehmer empfanden als eine ohne solche Unterpolsterung. Alle nahmen teilweise weitere Wege in Kauf und nutzten über 8 Wochen die angebotenen IPK+-Behandlungen. Palpatorisch konnte der Anwender feststellen, dass sich Schwellungen der regionalen Lymphknoten verminderten.

Fazit

Vieles spricht dafür, dass das IPK+-Verfahren eine ganze Reihe von Vorteilen gegenüber der ohnehin schon mit Erfolg eingesetzten IPK besitzt. Eine Erweiterung ist leicht und kostengünstig zu bewerkstelligen. Medizinische Teams, die Sportler: innen betreuen, sollten sich sehr viel mehr als bisher mit der bedeutenden Rolle des Lymphgefäßsystems im Kontext dieser Problematik auseinandersetzen. Die diesbezüglichen Störungen sind vergleichbar harmlos und über physikalische Lymphtherapie mit überzeugenden Resultaten behandelbar.

Literatur

  1. Lichtenthal A. Regeneration im Sport In: E. Raabe, E, Reich-Schupke S (Hrsg.). Intermittierende pneumatische Kompressionstherapie. Ein Leitfaden für Klinik und Praxis. Köln: Wirtschafts- und Praxisverlag, 2020: 113
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  4. Morand M. Führt eine definierte Abpolsterung unter der Intermittierenden pneumatischen Kompressionstherapie (IPK-Plus) zu einer Verbesserung der Entstauung beim Lymphödem? Lymphologie in Forschung und Praxis, 2019; (23) 2: 108–111
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